Der Kampf nach ganz oben

Viele Triathleten haben den großen Wunsch einmal in ihrem Leben bei einem Ironman teilzunehmen – ein geringerer Anteil dieser Teilnehmer träumen davon, einmal in ihrem Leben beim Ironman auf Hawaii an der Startlinie zu stehen. Doch nach der Reduzierung der Qualifikationstickets rutschte für viele Athleten dieser Traum aus der Greifweite – schließlich gilt es nun in fast jeder Altersklasse auch den Sieg einzufahren, um bei der Ironman-Weltmeisterschaft im Oktober 2022 teilzunehmen. 

Training, Arbeit, Training, Studium, Training, Schlafen – das war der typische Tagesablauf in der Vorbereitung auf den Ironman Italy. Dank der Corona-Pandemie und der damit verbundenen online-Lehre entschied ich mich im Sommer 2020 Bamberg zu verlassen und zurück in meine Heimat zu kommen. Dort war ich die vergangenen zwei Jahre als mobile Reserve in den Schulen des Landkreises Hof tätig, um mich so materialtechnisch zu professionalisieren. Die optimalen Trainingsbedingungen hinterließen schnell ihre Spuren und so wartete ich sehnsüchtig auf die ersten Rennen des Jahres 2021. 

Spontan fiel die Entscheidung sowohl bei der Challenge St. Pölten wie auch bei der Challenge Walchsee zu starten, bei welchen ich jedoch, aus Gründen des technischen Versagens meines Radmaterials, deutlich hinter meinen Erwartungen blieb. Geknickt und demotiviert sollte es frei nach dem Motto „alle guten Dinge sind drei“ einen erneuten Anlauf im Zuge des Rothsee-Triathlons geben. Während ich dort meine bisherige Bestzeit um 9 Minuten unterbot flatterte auch die Benachrichtigung der Challenge-Family hinein: die unzufrieden stellenden Leistungen haben dennoch für eine Qualifikation für „The Championship“ (eine Art Weltmeisterschaft des Veranstalters) gereicht. Um an diese Erfolge anzuknüpfen folgte die Entscheidung einen Trainer zu konsultieren – während der folgenden Wochen arbeitete das Gespann unermüdlich, um bei einer finalen Mitteldistanz die Form zu bestätigen. Zur Minimierung des Kostenbudget fiel die Entscheidung gegen „The Championship“ und auf den Frankfurt City Triathlon. Glücklicherweise gelang dort das angestrebte Ziel die sehr gute Form mit einem zweiten Platz in der Altersklasse und einer Zeit von 3:55:50 zu validieren. 

Die folgenden Wochen verlangten mir noch einmal alles ab – bis zu 30 Stunden pro Woche ließen Platz für Wochenumfänge von 70-100 Kilometern in den Laufschuhen und um die 400 Kilometer auf dem Fahrrad. 

Endlich war es dann soweit: Rennwoche. Bereits am Dienstag-Abend sollte es nach Cervia in Ravenna/ Emilia-Romagna gehen, um die schlaflose Nacht wegen der Autofahrt bestmöglich zu verarbeiten. Die letzten Einheiten erfolgten dann unter traumhaften Bedingungen: 25-28 Grad, kaum Wind und ein damit verbundenes ruhiges Meer – es sollte der perfekte Renntag werden. 

Der Renntag selbst sollte erst um 7:30Uhr starten, weshalb der Wecker um 4:30Uhr klingelte – eine relativ „ausgedehnte“ Nachtruhe vor einem Ironman. Entspannt startete ich mit der finalen Vorbereitung in meinem Hotelzimmer: Flaschen befüllen, Einteiler anziehen, 3-4 Nutellabrote essen und dann ging es auch schon los in Richtung Cervia. Bewusst entschieden wir uns wieder außerhalb des Wettkampfortes zu residieren, um das vorherige „Kräftemessen“ den anderen zu überlassen. 

Bepackt für alle Eventualitäten, die ich in diesem Jahr bereits zu spüren bekam, ging es auf in Richtung Wechselzone – dort angekommen: Erleichterung. Alles funktionierte, die Wechselbeutel waren trocken geblieben und auch alles Notwendige für den finalen Check-Up war vorhanden. 

Motiviert lief ich zum vereinbarten Treffpunkt mit meinen Angehörigen – es war angerichtet und heute sollte endlich der Tag kommen, an dem ich Ihnen etwas zurückgeben konnte. Etwas zurückgeben dafür, dass sie stets meine Launen geduldet, meine Heißhungerattacken respektiert und meine Verplantheit entschuldigt haben. 

Mit den vertrauten Blicken in meinem Nacken machte ich mich in Richtung Schwimmstart auf – zum ersten Mal wollte ich versuchen mit den sehr guten Schwimmern unter 60 Minuten aus dem Wasser zu steigen. Doch da hatte ich nicht den Wellengang einkalkuliert, den ich dank meiner Körpergröße im Startblock nicht wahrgenommen hatte. Also kletterte ich, zunächst unzufrieden, nach 1:06:41 aus dem Wasser – eine Verschlechterung von 5 Minuten im Vergleich zum letzten Rennen beim Ironman Barcelona. Doch für mich als guten Läufer bietet eine lange Wechselzone den Vorteil, bereits hier Plätze wieder gut machen zu können. Am Wechselplatz angekommen erfuhr ich es zum ersten Mal Zwischenstände: momentan bin ich auf Rang 3 meiner Altersklasse. 

Der Plan fürs Radfahren glich einem ziemlichen Selbstmordkommando: 220 Watt, also 3,5 Watt pro Kilogramm, waren das angestrebte Ziel für dieses Rennen. An diesem Ziel konnte ich bis ungefähr Kilometer 18 festhalten, bevor sowohl meine Beine wie auch mein Kopf resümierten: das geht (zumindest heute) nach hinten los. Ein Blick auf die Durchschnitsgeschwindigkeit verriet: es reichen auch 185 Watt für 37-39km/h. Bei Kilometer 20 passierte ich den, in meinen Augen, Zweitplatzierten meiner Altersklasse, was sich später jedoch als Irrtum herausstellte. Tatsächlich hatte ich bereits ab Kilometer 21 mein Schwimmdefizit aufgeholt und führte fortan meine Altersklasse an. Mangels dieser Information hielt ich aber an meinem straffen Radplan fest und baute meine Führung zunehmend aus. 

Nach 4:44:54 und 180 Kilometern stieg ich mit relativ lockeren Beinen vom Rad. In der Wechselzone gab es dann endlich Gewissheit – während meines Wechsels und dem Kampf irgendwie Socken über die klebrigen Füße zu stülpen, teilten mir meine Angehörigen mit, dass ich über 15 Minuten Vorsprung auf den Zweitplatzierten habe. Mein Körper fühlte sich plötzlich wie neu geboren – frisch und zu 110% motiviert, jetzt noch einmal alles auf eine Karte zu setzen. Gemeinsam mit meinem Trainer hatte ich erarbeitet, dass eine Pace von 4:15min/km und damit ein 3-Stunden-Marathon machbar sein sollten – doch eine Langdistanz lässt eben Raum für viele Überraschungen. 

Die zweite Überraschung an diesem Tag sollte meine Anfangsgeschwindigkeit sein: 3:34min/km waren keineswegs eine nur im Ansatz mögliche Marathonpace, wofür ich im späteren Rennverlauf noch büßen sollte. Im Anschluss pendelte sich meine Pace jedoch gut ein und so absolvierte ich die ersten 10,6km in 43:39 Minuten. Die Eigenverpflegung war zu diesem Zeitpunkt aufgebraucht und so steuerte ich vor Beginn der zweiten Laufrunde den Special Needs Bereich (eine Zone, in der Athleten ihre eigene Ernährung platzieren können) an. Dort wühlte und suchte ich, bevor ich vor meinem geistigem Auge sah, wie ich meine Eigenverpflegung in eine andere Tasche packte. 32 Kilometer ohne Verpflegung – das sollte eine Sache der Unmöglichkeit sein. 

Ich vermutete, dass ich die Gels des Veranstalters halbwegs vertrage und sie nur aus geschmacklichen Gründen meiden wollte. Die zweite Laufrunde verzichtete ich auf die Energiezufuhr durch Gels, um mögliche Komplikationen, die mich das Rennen frühzeitig kosten könnten, zu vermeiden. Kurz vor dem Halbmarathon erfuhr ich dann: mein Vorsprung ist nicht nur gehalten – er ist vielmehr auf 38 Minuten gewachsen. Das war für mich der Zeitpunkt an dem ich sicher war: heute wird es reichen, wenn ich diesen Marathon ins Ziel bringe. Bewusst entschied ich mich einen Gang zurückzuschalten und mein Tempo zu reduzieren. An der folgenden Verpflegungsstelle testete ich mich erstmalig an einem Maurten-Gel des Veranstalters und erhielt die direkte Rückmeldung meines Körpers. Es waren noch 15 Kilometer bis zum Ziel und die ersten Krämpfe in den Beinen suchten mich heim – also galt es weiterhin viel zu trinken, kühlen und auf Regen hoffen. Während ich vor meinem geistigen Auge daran dachte, wie ich den ersten Platz verlieren könnte, begann es tatsächlich zu regnen – und plötzlich hatte ich wieder Hoffnung. Ein Wechsel zwischen Gehpausen und einem moderaten Marathontempo brachten mich tatsächlich bis Kilometer 33, wo plötzlich nichts mehr ging. Während ich mit schnellem Gehen ein Stehenbleiben verhinderte, rechnete ich aus, wie schnell die Konkurrenz laufen müsste, um noch auf mich aufzuschließen. Ganze 18 Minuten beanspruchten meine Gehirnzellen in diesem Moment für eine solch einfache Rechnung – das Ergebnis war jedoch klar: ich bin auf unaufhaltbar, wenn ich jetzt nicht stehenbleibe. Erneut startete es zu regnen und der Donner gab mir einen Takt vor – plötzlich war in mir wieder ein Feuer entfacht – ein Feuer, welches mich mit 5:13min/km ins Ziel tragen sollte. 

Ich bog zum Strand ab, an welchem das Zieltor aufgebaut war und es offenbarte sich die wohl beste und schönste Atmosphäre meiner bisherigen Ironman-Rennen. Während mein Kopf sagte „los Feier dich, du hast es geschafft“, sagt mein Körper jedoch „lauf weiter, sonst machen wir deine Waden zu und dann wars das“. Ich entschied mich für Letzteres und lief durchs Ziel, packte meine Medaille, hechtete zur nächsten Bank und legte meine Beine hoch. Einfach die Augen schließen, an nichts denken. Es dauerte 5 Minuten bevor ich wieder halbwegs fähig war zu denken – doch realisiert, was ich heute erreicht habe, hatte ich zu diesem Zeitpunkt noch lange nicht. Am Zaun tauchten die Menschen auf, die mich seit Tag 1 bei allen meinen Schritten begleitet hatten. Ob es nun der 12-Stunden-Ironman, der vierte Platz bei den deutschen Meisterschaften oder der Triathlon in Pirk unter Restalkohol waren – sie waren immer da und haben mitgefiebert, die Daumen gedrückt und dafür gesorgt, dass dieser Tag heute genauso möglich war. Dementsprechend überwältigend war wohl auch unser erstes aufeinandertreffen – welches wir natürlich nicht ungefeiert stehen lassen konnten.

Erst ein paar Tage nach dem Rennen fing ich an für mich das Rennen zu analysieren – vieles hatte gut und vieles auch weniger gut funktioniert. Doch was letztlich zählt ist, dass es nicht nur für einen Sieg meiner Altersklasse gereicht hat – vielmehr hatte ich am Ende des Tages einen Vorsprung von 32 Minuten auf den Zweitplatzierten herausgearbeitet. Der 32. Gesamtplatz von über 1500 Startern ist da nur eine zusätzliche Bestätigung dessen, dass meine Form in die richtige Richtung geht.

Mit diesem Wissen blicke ich zuversichtlich auf meine Premiere in Hawaii am 08. Oktober 2022. Die folgenden 12 Monate werden hart, doch es werden gewiss die schönsten meiner bisherigen Triathlonkarriere – warum? Weil ich nicht mehr verlieren kann! Ich habe das geschafft, von dem so viele Athleten träumen.

Um sich diesen Lebenstraum zu erfüllen bedarf es einerseits die sportliche Qualifikation – anderseits lauert hier aber auch die häufig außer Acht gelassene finanzielle Belastung auf den Athleten. An dieser Stelle möchte ich auch noch einmal meinen großen Dank an die Firma RapidMax aussprechen, die mich bis hierhin bestmöglich finanziell unterstützt hat. Mit rund 8000€ plane ich für den kompletten Trip – was bei einem monatlichen Verdienst von rund 750€ jedoch an Unmöglichkeit grenzt.

Sicherlich wäre es durch Mehrarbeit keine Sache der Unmöglichkeit das nötige Geld für diese Reise aufzubringen – doch neben dem Beginn meiner neuen studentischen Aufgaben möchte ich natürlich auch einer Weltmeisterschaft angemessen trainieren. Damit mir dies möglich ist, bedarf es noch dringend finanzieller Unterstützung – daher mein Aufruf und meine Bitte an euch: wenn ihr jemanden kennt, der dazu bereit ist nur einen kleinsten Betrag in mein Vorhaben zu investieren, so lasst mich dies bitte wissen!

Finanzen, Training, Material, Disziplin, Ernährung, usw. – das alles sind Punkte, die einem Ironman täglich durch den Kopf kreisen. Doch all das ist hinfällig, wenn am Renntag etwas schief läuft – und egal wie gut man trainiert ist, früher oder später kommt der Punkt, an dem man sich die Sinnfrage stellt: „warum mache ich das eigentlich?“. Ist es soweit, dann hilft keine Taktik, kein Gel oder ein Redbull mehr – das ist der Moment, an dem die eigentlichen Helden des Tages in Erscheinung treten: die Familie. Sei es ein Grinsen, ein Klatschen, ein Ruf oder etwas ganz individuelles – es wird der Beweggrund sein weiter zu machen. Und genau hierfür bin ich unendlich dankbar – eine Familie zu haben, die mich nie im Stich lässt. Die mir, egal wie widrig und abstrus die Anreise und die Gegebenheiten vor Ort erscheinen mögen, immer die Treue gehalten und mich bestmöglich vor Ort unterstützt hat. Eine Qualifikation für Hawaii bedarf einer bestmöglichen trainingstechnischen Vorbereitung sowie einer finanzieller Bereitschaft – doch ein Ironmanfinish gelingt überhaupt nur, wenn das Umfeld hinter einem steht. In diesem Sinne: vielen herzlichen Dank an euch – das ist unser gemeinsamer Erfolg!

Häufig werde ich gefragt, wie es weiter geht, welche Ziele ich mir für Hawaii setze und was danach kommt – aber all das sind Themen, mit denen möchte ich mich heute noch nicht beschäftigen. Habe ich eine Antwort auf diese Fragen gefunden, so erfahrt ihr sie hier definitiv als erstes! Bis dahin: Vielen Dank an all meine Unterstützer, die 2021 zu meinem bisher besten Triathlonjahr aller Zeiten gemacht haben!

Euer Max

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