Rennanalyse IRONMAN Barcelona Teil 2

„Load up on guns, bring your friends
It’s fun to lose and to pretend
She’s over-bored and self-assured
Oh no, I know a dirty word“

Es ist 4:30 Uhr, als der Renntag durch „Smells like Teen Spirit“ von Nirvana offiziell startet. Anders als es zu erwarten ist, bin ich bereits nach den ersten Zeilen auf den Beinen – die Motivation ist mir ins Gesicht geschrieben und beginne mich für den großen Tag in Schale zu werfen. Draußen ist es noch tiefschwarze Nacht und außer in unserem Zimmer, schlummern noch alle Urlauber.

Darüber mache ich mir in diesem Moment aber keine Gedanken, sondern leitete vielmehr meine finalen Vorbereitungen ein. Da um ca. 8 Uhr mein Start angesetzt ist, widme ich mich direkt einem sporadischen Frühstück: Weißbrot mit Erdnussbutter und 500ml ISO-Fast von Dextro Energy.

Nach ca. 200g Weißbrot folgt die Ernüchterung – vielmehr Hunger kann man um diese Uhrzeit wohl auch nicht erwarten. Bis zur Abfahrt nach Calella sind es noch 40 Minuten, weshalb ich mich nun der Befüllung meiner Falschen widme. Am Rad setze ich, wie die letzten Jahre auch, auf die Zufuhr in flüssiger Form – hierfür habe ich mich für die Marke Science in Sport entschieden, von welcher ich 12 Gels mit Kirschgeschmack in meine Flasche drücke. Musikalisch lassen ich diesen Prozess durch eine Spotify-Entspannungs-Playlist untermalen. Bevor es ans Zähne Putzen geht, greife ich noch einmal zur Baguette-Tüte und zwinge mich noch zu einigen kleinen Bissen. Auf den typischen Kaffee wird auch am letzten Tag verzichtet – schließlich verfolge ich weiterhin den Plan, eine höhere Wirkung durch das Koffein zu erzielen, wenn ich meinem Körper vorher einem Entzug unterziehe. Es folgen die letzten Schritte: Hier eine Salztablette, da etwas Magnesium und dann noch den Einteiler hüfthoch anziehen.

Es ist 5:40 Uhr, also an der Zeit, allmählich Richtung Wechselzone aufzubrechen. Die Anfahrtszeit beträgt ca. 30 Minuten, wobei wir von dem Parkplatz aus noch ca. 10 Minuten Fußweg bis zur Wettkampfstätte haben. Anders als sonst entscheide ich mich auf meine eigene Pumpe zu verzichten – durch den Stress am Vortag erhoffe ich mir, vor Ort andere Athleten mit einer Scheibe und einer funktionieren Pumpe zu treffen.

Um ca. 6:15 Uhr erreichen wir die Location, die heute mein Richter sein soll. Ich verabschiede mich von den Angehörigen und mache mich auf in Richtung Wechselzone. Diese wird durch die Scheinwerfer des Fußballplatzes voll ausgeleuchtet. Es ist eine mystische Stimmung und ein Gefühl der Anspannung macht sich in mir breit. Ich werde mir wieder dessen bewusst, was ich heute hier vorhabe, das auf der anderen Seite des Zaunes meine Angehörigen stehen, die weder Kosten noch Mühen gescheut haben, mich wieder zu unterstützen. Ich will es heute allen zeigen, dass ich dieses Jahr sinnvoll genutzt habe. Über dem Meer macht sich allmählich der Sonnenaufgang bereit, während auf der anderen Seite eine Gewitterwolke am Abdrehen ist. Immer wieder vernehme ich einen Regentropfen, lasse mich davon aber nicht beirren. Ich nehme mir die Zeit und setze mich mit meinem Rad in eine Stille Ecke, bevor ich mit der abschließenden Vorbereitung starte. Nachdem die Flaschen und der Garmin montiert sind, widme ich mich zunächst der Beschaffung einer Pumpe – jedoch zunächst ohne Erfolg. Mit jeder vergangenen Minute beginne ich daran zu zweifeln, ob ich heute noch eine geeignete Pumpe finde – doch während meinem verzweifelten Ersuchen des Serviceteams, erhalte ich den Hinweis, dass alle Pumpen im linken Eck der Wechselzone gesammelt werden. Mit jedem Bar, welches in meine Reifen schießt, merke ich, wie mein Herzschlag sich beruhigt und ich wieder mehr und mehr auf das Rennen fokussiert werde. Erleichtert bringe ich das Rad zurück zu meinem Wechselplatz und begebe mich anschließend ins Wechselzelt, um dort meine Beutel zu überprüfen. Es ist angerichtet und zufrieden verlasse ich ein letztes Mal die Wechselzone um meine Familie zu sehen. Es folgen ein paar motivierende Worte, bevor sich um 7:30 Uhr unsere Wege trennen. Den Neo trage ich nun bereits bis zur Hüfte und habe alles, mit Ausnahme meines T-Shirts, soweit bei meinem Supportteam zurückgelassen.

Ab jetzt heißt es fokussieren, runter kommen und sich mental nur noch auf das Rennen konzentrieren. Ich gehe ein letztes Mal alle Wege durch, überprüfe, ob meine Kartusche fest im Sattel verschraubt ist und setze mich anschließend in den Sand. Es ist zügig und so entschließe ich mich, den Kampf gegen den Neo bereits jetzt aufzunehmen. Dieser ist noch ein wenig feucht von der letzten Trainingseinheit, wodurch ich mich aber nicht entmutigen lasse.

Das Einschwimmen endet um 7:50 Uhr – diese Möglichkeit wollte ich aber sowieso nicht wahrnehmen, da ich bei der Außentemperatur befürchte, im nassen Neo zu unterkühlen. Durch Startschuss der Profis werde ich aus meiner Meditation gerissen und beginne meine Mobilisation am Strand. Es ist 8:00 Uhr, als ich mich zum ersten Mal aus der Wechselzone in Richtung Startbereich begebe. Dieser ist übersät von Adiletten und Plastikflaschen, welche Athleten zurücklassen. Zwischen dem Trubel von Angehörigen und Athleten laufe ich sechs kurze Bahnen um meinen Puls ein wenig auf Fahrt zu bekommen. Aufgewärmt suche ich meine Startbox, wobei diese eher durchschnittlich ausgeschildert sind. Letztlich lande ich in dieser: „<60min“. Ich weiß, dass ich diese Zeit wohl nicht schwimmen kann, erhoffe mir aber in dieser Gruppe einen geeigneten Wasserschatten zu finden. Langsam füllt sich die Box und ich merke wie die Anspannung bei allen steigt. Ich lasse mich von der Welle der Nervosität und Vorfreude tragen und steige in das rhythmische Klatschen ein. Plötzlich ist 8:15 Uhr und der Rolling-Start für die Agegrouper beginnt. Während sich die Gruppe vor mir in Bewegung setzt, stelle ich mich an die Seite und klatsche meine Muskelpartien nach und nach ab, um die Durchblutung anzuregen. Es geht Schritt für Schritt in Richtung des Startbogens. Ich atme ein letztes Mal tief durch und ordne mich ganz links ein. Ich stecke voller Adrenalin, blicke in den Sonnenaufgang und plötzlich hebt der Helfer seine Arme. Mit einem freundlichen Lächeln und einem „good luck“ verabschiedet er mich in meinen großen Tag…

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